Hoffmann


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Kulturstiftung Sahlis

Die Ortsnamen Kohren und Sahlis
Im Rahmen etymologischer, semantischer und
historisch nachvollziehbarer Forschung

Erstmals erwähnt wurde der Ort Kohren 974 mit dem Namen „Civitas Chorin“ in einer Schenkungsurkunde Kaiser Ottos II. zugunsten des Bistums Merseburg.

Will man die Herkunft der aus dem Mittelalter stammenden Bezeichnung „Civitas Chorin“ ergründen, so ist ein Abschweifen in die Kirchengeschichte jener Zeit unerlässlich.

Die für das 10. Jahrhundert bezeugte Schreibweise chorin lässt auf einen aus dem griechischen stammenden Begriff schließen. Spätere Schreibweisen, beispielsweise mit „K“ beginnend, bedeuten etymologisch nichts. Zu Zeiten, als die eigentliche Bedeutung des Wortes „chorin“ nicht mehr verstanden wurde, pflegte man einfach nach Gehör und losgelöst von orthographischen Regeln, sowohl die älteren gräzisierten als auch latinisierten Ortsnamen zu ändern.

Im hier vorliegenden Fall haben wir es sowohl mit Latein als auch mit Griechisch zu tun.
Wie stark die Kirchenangelegenheiten des frühen Mittelalters vom Griechischen, unter Hintanstellung des Lateinischen geprägt waren, erhellt die bereits im 8. Jahrhundert zwischen dem Karolinger Pippin und Papst Paul I. geführte Korrespondenz. Da sich im fränkischen Raum hinsichtlich der Liturgiefeier sowohl altgallische, als auch iroschottische Sonderformen entwickelt hatten, die mit der römischen Liturgie nicht im Einklang standen, war Pippin an einer Vereinheitlichung der religiösen Rituale in seinem Herrschaftsbereich interessiert. Seine an die Kurie gerichtete Bitte, diesbezüglich Unterstützung zu leisten, brachte Papst Paul I. in Schwierigkeiten. Man konnte in Rom nicht genügend, in der für die Franken verständlichen lateinischen Sprache abgefasste liturgische Texte finden. Für das ganze Frankenreich brachte man nur drei lateinische, dagegen vier griechische Handschriften, die als Leitfaden für die Messfeier dienen konnten, zusammen. Verständlich wird dies, wenn man bedenkt, dass in Rom vom 6. bis zum 8. Jahrhundert mehr Päpste mit griechischem Immigrationshintergrund herrschten, als Römer. Von 10 Päpsten war nur einer Römer, die übrigen stammten aus den damals kulturell hellenistisch geprägten Ländern Syrien und Palästina. So wird die Zusammensetzung eines lateinischen Wortes mit einem griechischen, nämlich das lateinische „civitas“ für Gemeinde und das griechische für „chóra“, Land, für die ottonische Zeit verständlich.
Der zweisprachig zusammengesetzte Begriff „civitas chorin“ bedeutet wörtlich so viel wie „ländliche Gemeinde“. Es war der Terminus technicus für das besondere, im germanisch fränkischen Raum gewachsene Rechtssubjekt der auch so genannten „Eigenkirche“.
Mit dem Übertritt der Franken und weiterer germanischer Stämme zum Christentum ergaben sich für die fränkische, bis dahin nach dem Muster der Ostkirche organisierte, bischöfliche Verwaltung erhebliche Probleme. War die bisherige Kirchenverwaltung eine ausschließlich in den städtischen Siedlungsräumen befindliche, so änderte sich dies in dem Maß, wie die christlich missionierte, ihrerseits weit überwiegend im ländlichen Raum angesiedelte, germanische Christenbevölkerung wuchs.
Zu Anfang der Missionstätigkeit, als die Zahl der Christen noch gering war, nahmen diese, wenn überhaupt, so gut es ging am kirchlichen Leben der nächstliegenden Stadt teil. Dies war aber aufgrund der Siedlungs-verhältnisse im germanischen Raum auf Dauer nicht praktikabel. Die christlich getauften Bauern und Landedelleute zogen es vor, auf dem Lande zu bleiben und die Städte zu meiden. Es war letztlich nicht möglich, diese landverbundene, christianisierte Bevölkerung mit den alten stadtkirchlichen Organisationen seelsorgerisch zu betreuen.
Wiederum mit einem Rückgriff auf die orientalische Kirche, versuchte man dem Problem zu begegnen. Nach dem im Orient üblichen Vorbild stellte man neben den Stadtbischof einen Landbischof, dessen Wirken nur auf die umliegenden Landbezirke gerichtet war - einen Bischof für die „chóra“, den sogenannten „Chorbischof“. Dieser erhielt die bischöfliche Weihe vom zuständigen Stadtbischof und hatte einen Sitz in der Synode. Er blieb dem Stadtbischof untergeordnet, aber sein praktisches seelsorgerisches Wirken bezog sich nur auf die Landbevölkerung. Mit der Zeit verschaffte das quantitative Übergewicht der Population im ländlichen Raum dem Chorbischof ein Ansehen, das oft über das der Stadtbischöfe hinauswuchs.
Auf Betreiben der Stadtbischöfe, die sich bald benachteiligt fühlten, ließ man das Amt des Chorbischofs im 9. Jahrhundert verkümmern, um es schließlich ganz zu eliminieren.
Anstelle der Chorbischöfe wurden nun einfache Priester in die Landpfarreien eingesetzt. Ihre Befugnisse waren anfänglich begrenzt; erst als die Tätigkeit der Landpriester zur Dauereinrichtung wurde, entstanden feste Pfarrsysteme mit priesterlicher Seelsorge.
Nach altkirchlicher Ordnung galt der Stadtbischof als uneingeschränkter Vorgesetzter, der über die Landkirchen zu bestimmen hatte. Er stellte die Pfarrer an und besorgte ihre Visitation.


Damit entstand eine Interessenkollision zwischen den Stadtbischöfen und den germanisch-fränkisch stämmigen Gutsherren, denn nach alther-gebrachter germanischer Rechtsauffassung musste es ihnen freigestellt bleiben, auf ihrem Grund und Boden eine Kirche oder eine Kapelle zu errichten und dieser Liegenschaften beizuordnen, deren Erträge geeignet waren, den Unterhalt des Priesters und die Kosten der Seelsorgetätigkeit zu bestreiten. Entsprechend dem vorchristlichen, germanisch heidnischen Brauch, über ihren Grundbesitz uneingeschränkt bestimmen zu können, beanspruchten die Grundherren das Recht, nicht nur über Kirchengebäude und die beigeordneten Liegenschaften, sondern über das gesamte Kirchenvermögen frei verfügen zu können. Sie nahmen sich zudem das Recht, auch ohne Rücksprache mit dem Bischof Geistliche ein- und abzusetzen.

Die „Eigenkirche“, die „civitas chorin“ war geboren. Sie wurde im gesamten germanisch-fränkischen ländlichen Herrschaftsraum die Regel.
Die Eigenkirchen galten als Bestandteil des grundherrlichen Vermögens und spielten als Einnahmequelle, aber auch bei Erbschaften eine besondere Rolle.
Eine wirtschaftliche Bedeutung erhielt die Eigenkirche besonders im Frankenland dadurch, dass die Bewohner eines zu ihr gehörenden Bezirks an den vom Grundherrn eingesetzten Priester den „Zehnten“ zahlen mussten, der aber nicht dem Bischof oder der Institution Kirche zufiel, sondern vom Grundherrn vereinnahmt werden konnte. Die Eigenkirchen waren in dieser Form, als wichtige Einnahmequelle, zu beachtlichen Vermögensobjekten geworden und bereits in der Karolingerzeit weitgehend gesetzlich sanktioniert. Sie konnten wie jedes andere Gut nach Gutdünken besetzt oder veräußert werden.
Eben eine solche eigenkirchliche Pfründe war in der ottonischen Zeit die damalige Besitzung „civitas chorin“, die wir heute als „Kohren“ im Bezirk Leipziger Land Süd kennen.

Die mit ihren zwei gewaltigen Rundtürmen das Stadtbild Kohrens beherrschende Höhenburgruine wird wohl zur Zeit der Übergabe an das Bistum Merseburg durch Otto II., wenigstens im Kern als befestigte Anlage schon existiert haben, auch wenn wir dazu keinen urkundlichen Beweis finden. Nicht so gewaltig als Doppelburg, aber doch als fortifikatorisch ausgebaute Höhenstellung.

Nachdem der Großvater Ottos II., Heinrich I., Sachsenherzog und deutscher König, im Jahre 929 die Slawen östlich der Elbe und die Böhmen unterworfen hatte, machten ihm die regelmäßig wiederkehrenden Ungarneinfälle zu schaffen. 933 konnte er die ungarischen Reiterheere besiegen. Im Anschluss daran erkaufte er sich gegen eine per Vertrag verbindlich gemachte jährliche Tributzahlung einige Jahre Waffenstillstand. Wohl wissend, dass die Ruhe nicht von ewiger Dauer sein würde, traf er in weiser Voraussicht umfassende Vorbereitungen, um jederzeit gegen äußere aber auch innere Feinde gerüstet zu sein. Zum Aufrüstungs- und Verteidigungsprogramm gehörte neben der Schaffung der Ritterschaft vor allem der Burgenbau. Es waren noch nicht die großen hoch- und spätmittelalterlichen Burganlagen, eher kleine ummauerte Höfe und Kemenaten, die aber für die damaligen Kriegserfordernisse ihre Zwecke erfüllten.
Jedenfalls fanden die Ungarn bei einem erneuten Kriegszug in die thüringisch-sächsischen Gebiete, der fällig wurde, weil Heinrich nicht mehr zahlen wollte, die Landschaft völlig verändert, in stetiger Verteidigungs-bereitschaft vor, sodass ihnen nichts weiter als der Rückzug blieb.

Heinrich hatte veranlasst, dass jeder neunte Mann seiner Dienstleute und Pächter seinen Wohnsitz in einer Burg zu nehmen hatte, worin Lebensmittelvorräte angelegt wurden. Die zum Burgenwachdienst nicht dienstverpflichtete Bauernschaft hatte ein Drittel ihrer Ernteerträge an die Burgbesatzung abzuliefern. Die Burgwächter waren von der landwirt-schaftlichen Erzeugung freigestellt und konnten sich ausschließlich im Waffenhandwerk üben. Als berittene Kriegsmänner stellten sie die erste Generation der in der Folgezeit erblichen Ritterschaft dar.
Es war die Geburtsphase der adligen Familien, die sich, nun nobel geworden, den Namen der von ihnen betreuten Burg zulegten. So wird die ab dem Jahr 1190 bezeugte Nennung der Herren von Chorun verständlich.


Auch für das Gut Sahlis kann man für die ottonische Zeit eine Befestigungsanlage annehmen. Die Vorwerke waren wichtige Wirtschafts-betriebe, die vor allem der Versorgung des Heerwesens dienten. Dass man sie vor kriegerischen und räuberischen Zugriffen ungeschützt bestehen ließ, ist höchst unwahrscheinlich. Die baugeschichtlichen Untersuchungen zum Rittergut Sahlis sind noch nicht so weit fortgeschritten, dass man dazu etwas Endgültiges sagen könnte.

Vom Namen Sahlis konnte allerdings zu dieser Zeit noch nicht die Rede sein.
Das Objekt Sahlis wird es wohl schon im 10. Jahrhundert gegeben haben, aber der Name „Sahlis“ konnte erst im 11. Jahrhundert entstehen. Genau genommen erst in der Zeit nach 1024. Urkundlich erwähnt wird das spätere Rittergut Sahlis erst 1398, als zur Burg Kohren gehörendes Vorwerk.
Ab 1024 begann mit Konrad II., die etwa ein Jahrhundert andauernde Herrschaft des fränkischen Herrschergeschlechtes der Salier. Die Salier traten in die Rechtsnachfolge der ottonischen Besitztümer ein. Das grundsätzlich ottonische Besitztum Kohren war durch Überlassungsverträge an das Bistum Merseburg gebunden, sodass trotz der, den Ottonen verbliebenen oberhoheitlichen Befugnisse, die Salier hierauf keinen unmittelbaren Besitzanspruch erheben konnten.
Es ist davon auszugehen, dass die Rechtslage bezüglich der Liegenschaften der dem Bistum Merseburg von den Ottonen überlassenen Pfründe Kohren – oder richtiger, wie es damals bezeichnet wurde „civitas chorin“ im Außenbereich nicht so eindeutig geregelt war, sodass die Salier die Möglichkeit hatten und wahrnahmen, den Verwaltungsstützpunkt, der zugleich auch ein wichtiger Versorgungsbetrieb gewesen sein wird, getrennt von der bischöflich genutzten „civitas chorin“ zu betrachten und Veranlassung hatten, ihren Anspruch auch mit dem in latinisierter Schreibweise auf uns überkommenen Begriff „salis“ für „salisch“, den Saliern gehörend, in salischem Besitz, nach außen hin deutlich zu machen.
Andere, auf slawophile Steckenpferdreiterei beruhende Ausdeutungs-versuche, so z.B. die angeblich slawische, sprachlich begründete Über-setzung für „Salis – das Dorf hinter den Sumpfteichen“ sind nicht nachvollziehbar und inakzeptabel. Erstaunlicherweise wird aber derartig abwegiger Unsinn, wohl in Ermangelung vernünftiger Erklärungen immer wieder unhinterfragt kolportiert. Dabei müsste bei einigem Nachdenken sofort klar sein, dass ein aus nur zwei Silben bestehendes Wort (Sa-lis) niemals vier Begriffe, nämlich die Substantive „Dorf – Sumpf – Teich“, sowie die Präposition „hinter“ ausdrücken kann.
Man kann mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass der bis in unsere Tage für Ort und Rittergut erhaltene Name „Sahlis“ als spätere Variante des mittelhochdeutschen „Salis“ auf das Geschlecht der Salier zurückzuführen ist.

Quelle:

August Schuchert, Kirchengeschichte, 1.u.2.Bd.,
Schweizer Volksbuchgemeinde, Luzern, 1958


Neugierig geworden, fragt man sich nun auch, woher das fränkische Herrengeschlecht der Salier seinen Namen hat.


Personen- und Familiennamen entstehen ebenso wenig wie Ortsnamen aus dem Nichts. Immer liegt der Namensentstehung ein besonderer Umstand, etwa eine Eigenschaft, eine Profession, ein religiöses Glaubenselement oder ähnliches zugrunde.
Welcher Umstand für den Namen „Salier“ tatsächlich Pate stand, wird sich nicht beweisfähig ermitteln lassen. Wir können nur den Weg der Wahrscheinlichkeit beschreiten. Sowohl im Althochdeutschen, als auch im Mittelhochdeutschen stand das einsilbige Wort „Sal“ für Halle, Saal, Wohnung, Gebäude aber auch für Tempel und Kirche. Es geht auf die nur wissenschaftlich erschlossene germanische Wurzel „salaz“, „salig“, „sali“ zurück. Damit wurde das aus einem Raum bestehende Haus der Germanen bezeichnet. In der zweiten Silbe des Wortes „Geselle“ finden wir die semantische Variante. Gemeint ist jemand, mit dem man unter demselben Dach wohnt. (… mit dem man im selben Raum wohnt.)
Danach könnte man die Salier als eine im großen Verband in einer Halle wohnende Sippe begreifen.
Nicht völlig auszuschließen ist aber auch die Möglichkeit, dass die Ahnen der Salier in vorchristlicher Zeit ein Clan von Mars-Priestern gewesen waren. Der Kult des römischen Kriegsgottes Mars war ja im römisch kulturell befruchteten Westen Germaniens nichts Ungewöhnliches. Danach könnte man „Salier“ von der lateinischen Bezeichnung für Mars-Priester herleiten.
Wahrscheinlicher erscheint jedoch die Herkunft aus dem Germanischen sali – saliz, im Zusammenhang mit dem germanischen Hallengebäude.

© Karl Heinz Hoffmann August 2009

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(i)
Kemenate von slawisch: kamini, Stein, also Steinbau, aus Stein errichteter Wehr- und Wohnturm






Besitzerfolge von 1400 bis ins einundzwanzigste Jahrhundert.
(Vereinfacht dargestellt)

Erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1388
Das Vorwerk von Sahlis zählte bereits um 1400 zum Besitz der Adelsfamilie von Meckau
die ihren Sitz auf der Kohrener Burg hatte.
1451 verkaufte Elisabeth von Meckau Sahlis an ihren Sohn Georg von Meckau.
1453 erhält Hildebrand von Einsiedel auf Gnandstein die Eventualbelehnung (Treuhänderschaft ähnlicher Status) über die Güter des Georg von Meckau.
1454 ging auf Grund fehlender Erbschaftsvoraussetzungen der gesamte von Meckau’sche Besitz an Hildebrand von Einsiedel.
1535 wurden die Einsiedel’schen Besitzungen interfamiliär geteilt. Sahlis und Kohren sowie auch Wolftitz wurden abgespalten, aber bereits 1568 kam es wieder zum Zusammenschluss der Güter.
Soweit bisher bekannt ist, war die Burg in Kohren wahrscheinlich seit Mitte des 15. Jahrhunderts nicht mehr bewohnt. Diese Erkenntnis ist allerdings nicht gesichert.
Die Familie von Einsiedel verlegte ihren Wohnsitz nach Sahlis in ein dort neu errichtetes Herrenhaus.
In den folgenden Jahren war Georg von Einsiedel aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, Teile seines Besitzes zu verkaufen.
Das Rittergut Sahlis war am 8. Juni des Jahres 1596 von Vagabunden in Brand gesteckt und ganz in Asche gelegt worden.
1602 verkaufte von Einsiedel das Gut Sahlis an seinen Schwager Wolf von Löser.
Nach dem Tod von Löser im Jahr 1604 übernahm seine Frau Anna, geb. von Einsiedel die Vormundschaft für die unmündigen Söhne. Nach der Volljährigkeit dieser im Jahre 1611 wurde der Besitz unter die Löser-Brüder Wolf I. und Hans II. aufgeteilt. Hans erhielt Sahlis. Er starb 1644.
Sein jüngerer Sohn Curt von Löser trat das Erbe auf Sahlis an. Curt von Löser verstarb 1682.
Sein Nachfolger wurde 1682 Hans II. von Löser, der aber das Gut wegen finanzieller Schwierigkeiten im Jahre 1700 an den Domprobst zu Braunschweig, Friedrich von Eckhardt verkaufen musste.
Von Eckhardt nahm niemals seinen Wohnsitz in Sahlis. Die Verwaltung des Gutes legte er in die Hände eines Inspektors. Nachdem sich die Gutsverwaltung aber nicht bewährt hatte, trennte sich von Eckhardt wieder von dem Besitz. Im Jahre 1720 gelang es Abraham von Einsiedel auf Gnandstein den einstigen Besitz zurückzukaufen. Dadurch erfolgte eine Vereinigung der Gnandsteiner und Sahliser Besitzungen.
Auf Grund erneut aufgetretener finanzieller Engpässe verkaufte Curt Abraham von Einsiedel das Rittergut Sahlis 1754 an den Chemnitzer Textilkaufmann Georg Leberecht Crusius.

Mit der Übernahme der Güter durch die Familie Crusius begann eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die erst 1945 mit der Vertreibung und Enteignung durch die sowjetische Besatzungsmacht ihr vorläufiges Ende fand.

Zurück ins 18. Jahrhundert:
Weil Georg Leberecht Crusius kinderlos blieb, vermachte er seine Besitzungen testamentarisch seinem Neffen Siegfried Leberecht Crusius.
1810 erweiterte Siegfried Leberecht Crusius den Familienbesitz durch den Ankauf des Rittergutes Rüdigsdorf.
Schon zu seinen Lebzeiten übergab Siegfried Leberecht im Jahre 1813 das Rittergut Rüdigsdorf seinem Sohn Heinrich Wilhelm Leberecht Crusius. Den restlichen Besitz erhielt dieser 1824 auf dem Erbwege. Nach seinem Ableben im Jahre 1858 gingen die Güter an seinen Sohn Friedrich Leberecht Crusius über. Dieser blieb allerdings nur drei Jahre Gutsherr, denn er verstarb bereits 1861 im Alter von 28 Jahren. Er hinterließ den bei seinem Tode einjährigen Sohn Heinrich Leberecht, für den die Witwe handlungsbevollmächtigt war. Die Gutsverwaltung lag bis zum Jahre 1888 in den Händen von Inspektoren. Die Oberleitung hatte ein Großvater mütterlicherseits.
1888 übernahm, inzwischen volljährig geworden, Heinrich Wilhelm Leberecht Crusius das väterliche Erbe, bis er 1899 nach schwerer Erkrankung verstarb.
Seine beiden Kinder Siegfried Leberecht und Charlotte waren noch unmündig und konnten daher das Erbe nach dem Tod des Vaters nicht antreten.
Nun oblag der in zweiter Ehe mit Börris Freiherr von Münchhausen verheirateten Witwe Anna Crusius die Gutsverwaltung bis zur Volljährigkeit der Crusius Kinder.
1923 konnte dann Siegfried Leberecht Crusius die Bewirtschaftung der väterlichen Besitzungen übernehmen.
Am 28. September 1945 wurde ihm auf Anordnung der sowjetischen Militärbehörden die Bewirtschaftung seiner Güter untersagt. Darauf folgte die Enteignung.
Crusius verließ am 3. Oktober 1945 seine sächsische Heimat und ging nach Parensen bei Göttingen, um dort das Erbe seines Stiefvaters Börris Freiherr von Münchhausen anzutreten. Er verstarb 1978.

Das Rittergut Sahlis wurde 1949 von den DDR-Behörden zum Volkseigenen Gut erklärt und blieb es als solches bis 1990. Danach übernahm die Treuhandanstalt das Gut mit dem Ziel, es zu verkaufen. Um diesen Vorgang zu beschleunigen, erfolgte in höchst unverantwortlicher Weise die Trennung der landwirtschaftlichen Flächen von dem Gebäudekomplex. Nun war der Gebäudekomplex des ehemals wirtschaftlich blühenden Rittergutes nur noch eine tote, mit einem enormen Reparaturstau belastete, ertraglose Immobilie. In den Jahren der Treuhandzeit verfielen wegen fehlender Nutzung und Erhaltungsmaßnahmen die Gebäude zusehends.
Zunächst erwarb der heutige Pächter der Burg Gnandstein den landlosen Rittergutkomplex, bestand aber nach kurzer Zeit erfolgreich auf Rückabwicklung weil das Herrenhaus extrem mit dem echten Hausschwamm befallen war. Die erforderlichen Kosten zur Schwammbeseitigung konnten nicht mehr im Kosten-Nutzen Konzept für die Sanierung untergebracht werden.
Auf Grund des ungenutzten Leerstandes schritt der Verfall weiter fort.
Im Jahr 2003 erwarb schließlich ein Nürnberger Bauingenieur das Objekt von der Treuhand.
2003 gründete Karl-Heinz Hoffmann zusammen mit einem Partner die Schlossverwaltung GmbH &Co KG, die das Gut Sahlis käuflich erwarb, um es zu sanieren.
Im Jahr 2005 wurden die Kaufverträge rückabgewickelt und die Immobilie in eine Fiduziarische Kulturstiftung mit gemeinnütziger Satzung umgewandelt. Seitdem ist der Kurator und Rechtsträger der Kulturstiftung Karl Heinz Hoffmann. Die gesamte Verwaltung, Planung und Organisationstätigkeit erledigt er ehrenamtlich unentgeltlich. Er bezieht keine Einkünfte aus dem Objekt und sorgt satzungsgemäß dafür, dass einzig und allein das Satzungsziel d.h. die Bewahrung des Kulturdenkmales vor dem Verfall befördert wird. Dabei ist jede Form von Hilfeleistung willkommen.
Siehe dazu: Spendenaufruf in dieser Website.

Karl Heinz Hoffmann
September 2010



SCHLOSS ERMREUTH
Baugeschichte

Allgemeine Vorbetrachtung

Das Schloss Ermreuth präsentiert sich dem Betrachter unserer Zeit als Stilmischung aus Renaissance und Barock. Der auf der Südseite, die zugleich die Schauseite des Schlosses ist, sofort ins Auge fallende polygonale Treppenturm aus curryfarbenem Sandstein mit dem von Türhüterbänkchen flankierten profilierten Rundbogeneingang, zeigt die klassischen Stilformen des 16. Jahrhunderts, während das Wohngebäude, dessen obere Geschosse sich über eine steinerne, im Turm befindliche Wendeltreppe erschließen, in der Bauform des 18. Jahrhunderts erscheint.

Die barocke Überformung der Fassade und des Daches verschleiern das wahre Alter der zugrunde liegenden Bausubstanz. So wirkt der auf der Südwestseite angebaute Altan mit seiner gelben Sandstein-Balustrade auf den ersten Blick fraglos barock, gibt aber dann doch dem aufmerksamen Stilkundigen einige Rätsel auf. Der massige in Kalkstein-Quecken errichtete festungsartige Unterbau mit den beiden Schießscharten lässt sich nicht so recht in die Entstehungszeit seiner Balustraden-Bekrönung einordnen. Über den Graben hinweg führt eine nur noch fragmentarisch erhaltene Schwippbogenbrücke zur Hoffläche direkt neben dem Altan, ohne dort, wie zu erwarten wäre, auf ein Tor, oder nachvollziehbare Reste eines solchen zu treffen.

Jahrelange Rekonstruktionsarbeiten und Befunduntersuchungen am Objekt, erlauben inzwischen wertvolle Einblicke in die baugeschichtliche Entwicklung der Schlossanlage und der ursprünglichen Zweckbestimmung der einzelnen längst zu einem einzigen einheitlich wirkenden Gebäude verschmolzenen, aber ursprünglich solitären zu unterschiedlichen Zeiten errichteten Baukörper. Die baugeschichtliche Entwicklung lässt sich auf Grund der epochalrelevanten architektonischen Umbauten und Überformungen nicht durch einfache Inaugenscheinnahme nachvollziehen. Nur die eingehende Untersuchung der historischen Bausubstanz ermöglichte eine Vorstellung vom ursprünglichen, natürlich im Laufe der Jahrhunderte ständig gewandelten Aussehen der Schlossanlage zu erhalten.
Der im Stil der Renaissance gehaltene und auch in diese Zeit zu datierende polygonale Treppenturm verführt oft vorschnell zu falscher Datierung des Gesamtobjektes. Aber der Schlossbaukörper ist kein gesamtkonzeptional entstandenes Objekt. Vielmehr verbergen sich in ihm mehrere chronologisch und bautechnisch voneinander getrennt entstandene, heute miteinander verwachsene Baukörper. Damit ist klar: Das Schloss sah nicht von Anfang an so aus wie es sich heute präsentiert.
Könnten wir uns in das frühe 16. Jahrhundert zurückversetzen, so erschien Ermreuth als vollkommen von Wasser umgebenes Renaissance-Schloss. Der vieleckige Treppenturm wäre noch nicht aufgestockt gewesen und daher etwas niedriger, aber wir würden ihn sofort erkennen. Den Traufrand des Zeltdaches müssen wir uns direkt über dem heute noch vorhandenen jetzt unterhalb der Aufstockung befindlichen steinernen jetzt nutzlos gewordenen Traufprofils vorstellen. Das hölzerne Traufprofil des Hausdaches verlief auf einer Ebene mit der steinernen Profilleiste des Treppenturms. Das über dem Traufprofil befindliche aus verputzten Backsteinen aufgeführte Turmgeschoss ist erst später, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aufgesetzt worden. In dem von uns zur ersten Betrachtung gewählten 16. Jahrhundert hat man sich die West- und Ostseite des Herrenhauses als mächtige Giebel, ähnlich wie diejenigen des Kunreuther Schlosses, vorzustellen. Die heute noch erhaltene Walmdachausführung ist eine spätere, dem Geschmack der Barockzeit entsprechende Veränderung. Dem barocken Zeitgeschmack fielen zwei, die Ostseite an den Ecken flankierende Rundtürme und ein Turm an der Nordwestecke, dessen Form sich nicht mehr ermitteln lässt, zum Opfer. Nachweisbar ist der ehemals nordwestlich befindlich gewesene Turm, weil bei den Renovierungsarbeiten nach Abnahme der Innenputzschichten die Türleibungen der Turmzugänge mit historisch zeitgenössischen Putzanhaftungen gefunden wurden. Der massive Kalksteinunterbau des Altans ist nichts anderes als die noch erhaltene Hälfte des Untergeschosses einer ehemals mächtigen Schildmauer. Der Teil der von oben her abgetragenen Schildmauer durch den der über eine Zugbrücke erreichbare Eingang zur Burg führte, existiert heute leider nicht mehr, seine Dimensionen konnten aber im Fundamentbereich nachgewiesen werden. Auch die ursprüngliche, wohl noch bis ins 18. Jahrhundert erhaltene Höhe ist an einer vermauerten Zugangstüre im Obergeschoss erkennbar.

Entstehungszeit und ursprüngliches Aussehen

Auf Grund der, im Zuge der Rekonstruktionsarbeiten vorgenommenen Befunduntersuchungen gewonnenen Erkenntnisse ist der baugeschichtliche Ursprung des Ermreuther Schlosses unter Einbeziehung verbürgter historischer Daten relativ gut belegbar geworden.
Zum Schutz der wichtigsten mittelfränkischen Verkehrswege errichteten die Landesherren im 11.Jahrhundert zahlreiche einfache Wachtürme, zumeist auf natürlichen oder künstlichen Hügeln, die, zunächst nur in Kriegszeiten bemannt, später auch als Wohntürme genutzt, und im Lauf der Zeit oft den Ansatzpunkt für ritterliche Stammsitze darstellten. Im Umfeld Ermreuths, dem Eckentaler Becken ist eine solche für die Zeit Heinrichs III. typische Turmanlage durch den Heimatforscher Fritz Fink nachgewiesen, und zeichnerisch rekonstruiert worden. Die Arbeiten der Historiker Dr. Karl Gumpert und Dr. Hermann Schreibmüller lieferten die Grundlagen für Finks Forschungen. Die von Fink wissenschaftlich bearbeitete Eschenauer Wehranlage war ein befestigter Wohnsitz. Dieser Wohnturm stand auf einem künstlichen, kegelförmig aufgeschütteten Lehmhügel mit einem Durchmesser von 50 Metern der von einem kreisförmigen, vom Grundwasser gespeisten Wassergraben von ca. 2 Metern Tiefe umgeben war. Auf seinem steinernen Untergeschoss waren mindestens zwei einander überkragende abschließend von einem Zeltdach bekrönte Geschosse in Fachwerkbauweise aufgesetzt. Ganz ähnlich dem Prinzip der als Weiherhäuser bekannten kleinen Herrensitze, wie sie im Nürnberger Großraum noch heute erhalten sind.

Genauso, mit Ausnahme der künstlichen Aufschüttung haben wir uns die erste Bebauung auf dem Ermreuther Schlossgrundstück vorzustellen. Dabei sind wir nicht auf bloße Mutmaßungen angewiesen, denn das Untergeschoß des ersten Ermreuther Turmbaues ist nur teilweise verloren gegangen. Die Wände des Sockelgeschosses sind zwar überformt aber doch wenigstens zu 80% im Inneren des Herrenhausgebäudes eindeutig nachweisbar. An einer gut erhaltenen, romanisch ausgebildeten Schießscharte lässt sich zweifelsfrei nachweisen, welche Seite der Wandmauer nach innen und welche nach außen gerichtet gewesen war. Die frühere Außenseite befindet sich jetzt in Inneren, etwa in der Mitte des Schlossgebäudes.
Als Standort hatten die Erbauer eine natürliche hügelartige Erhebung in dem von Quellbächen durchzogenen, hinter dem Hetzlaser Berg gelegenen Ermreuther Tal gewählt. Von dort aus kann das gesamte Tal in östlicher Richtung, bei gutem Wetter bis zum Rothenberg bei Schnaittach überblickt werden. Das Gelände ist dort stark lehmhaltig, sodass mühelos ein Grundwasser gespeister Ringgraben angelegt werden konnte. Den damaligen Üblichkeiten entsprechend, könnte der Naturrand belassene Graben ein Breite von 8 bis 10 Metern gehabt haben. Auch in dem mit einem Tonnengewölbe überspannten Kellergeschoss des Turmbaus konnte Grundwasser geschöpft werden, sodass die Trinkwasserversorgung auch zu Zeiten einer Belagerung gewährleistet war. Zugänglich war der Wohnturm über eine Tür die im Schwellenbereich etwa 10 Meter über dem damaligen Niveau des Turmumfeldes lag. Die noch im Bruchsteinmauerwerk der Ostseite erhaltene frühgotische Spitzbogen-Laibung verweist auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts. Den damaligen kriegsbedingten Erfordernissen entsprechend, war der Eingang zur Turmwohnung nur über eine hölzerne Stiege, die bei Belagerung verbrannt werden konnte, erreichbar. Davon ist natürlich nichts mehr vorhanden. Die bereits erwähnte Schießscharte und der Spitzbogeneingang kennzeichnen zweifelsfrei den Verlauf der Außenmauer. Darüber hinaus beweist auch die zur Gebäudeumgebung unterschiedlich angesetzte Kellergewölbedecke und Reste des im Erdgeschoss befindlich gewesenen Tonnengewölbes, das ursprünglich solitäre Bestehen des Wohnturmes, der sich heute unerkannt, von späteren Hinzufügungen umbaut, vor dem Auge des Betrachters verbirgt.

Ermreuth wird neben anderen Orten erstmals 1214 im Zusammenhang mit der Gründung des Klosters in Neunkirchen am Brand als dessen Filiale genannt. Von einem Herrensitz ist dabei noch nicht die Rede, es scheint aber bereits eine Beziehung zur Familie der Grafen von Egloffstein bestanden zu haben, denn bereits 1358 stiftete Jochen von Egloffstein in der Kapelle zu Ermreuth ein Messe. Daraus ist ersichtlich, dass zum Ort Ermreuth auch schon eine Kapelle existierte.
In der spärlichen heimatkundlichen Literatur findet sich die Anmerkung:

Zu jener Zeit standen in Ermreuth zwei Schlösser, ein oberes und ein unteres. Wovon wahrscheinlich der vorgenannte Jochen das obere und sein Bruder Konrad das untere besaß. Der Standort des unteren Schlosses wird als unbekannt bezeichnet.

Die Vorstellung in oder in nächster Nähe des noch existierenden Ermreuther Schlosses müsse ein zweites, nämlich das untere Schloss gestanden haben, gehört wohl in das Reich der Fabeln. Die Ursache der Fabel hat ihren Grund in der mangelhaften Kenntnis der älteren deutschen Sprachzustände. Wohl findet sich in den historischen Dokumenten der Hinweis auf ein oberes und ein unteres Schloss und deren Besitzverhältnisse, aber es ist falsch, daraus unbedingt auf zwei für sich allein, räumlich voneinander getrennte Anlagen zu schließen. Die baugeschichtliche Analyse hat zweifelsfrei ergeben, dass dem ursprünglich ersten Ermreuther Herrenhaus bereits sehr früh, wohl in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, an die Ostseite anschließend ein zweiter in etwa gleich großer Baukörper hinzugefügt wurde. Vor dem Anbau hat man sich den im Besitz der Egloffsteiner befindlichen Herrensitz als Festungsbau vorzustellen. Da stand das im Kern noch erhaltene Wohngebäude vom Grabenrand im Westen etwa bis zur Mitte des heutigen Baukörpers reichend. Im Westen von einer gewaltigen um die Hälfte nach Süden versetzten Schildmauer mit einem Zugangstor zum Burghof beschützt. An der Nordwestecke stand ein Turm, dessen genaue Gestalt wir nicht mehr ermitteln können. Nach Osten hin befindet sich im Inneren des Gebäudes der frühe, bereits beschriebene Wohnturm. Wie die nach Osten gerichtete Außenwand des ursprünglich solitär bestandenen Westbaues ausgesehen hat, bevor später der Ostbau ( das „ Untere Schloß“) angebaut worden war, lässt sich nur soweit klären, als feststeht, dass sich dort in ca 10 Meter Höhe die bereits erwähnte gotische Spitzbogen-Zugangstür befand, aber die Tatsache dass es sich um einen Zusatzbau handelt ergibt sich aus der U-Form des Baukörpers und der fehlenden Mauereinbindung.

Wir, die Schlossbewohner, haben uns daran gewöhnt, vom Westbau und Ostbau zu reden. Der moderne Mensch ist an das ständige Kartenlesen gewöhnt. Er erklärt seine Umgebung mit der Angabe von Himmelsrichtungen. Im 14. Jahrhundert und noch lange danach verwendete man andere Begriffe zur Lagebeschreibung von Objekten. Man richtete sich nach der Fließrichtung der Gewässer und sprach dann von oben und unten. So war für die Egloffsteiner Brüder Jochen und Konrad der Westbau des Ermreuther Herrensitzes das obere Schloss und der Ostbau das untere Schloss. Beide bewohnten mit großer Wahrscheinlichkeit die gleiche in Ost- und Westteil getrennte Burganlage. Damit wird verständlich, warum sich der Standort des „Unteren Schlosses“ niemals ermitteln ließ.

Die für die Mitte des 14. Jahrhunderts anzunehmende Erweiterung der Burganlage mit dem östlichen Anbau ist deutlich nachweisbar. Die am Westbau anschließenden Mauern des Ostbaues sind nicht eingebunden, sondern nur stumpf angesetzt. Sie sind zudem auch in der Ausführung weniger mächtig. Die nach Osten gerichtete Seite war von zwei Türmen flankiert.

Im Keller verbirgt sich ein mächtiges Tonnengewölbe. Gesichert war die zusammengewachsene Burganlage durch einen „gefütterten“ Wassergraben. „Gefüttert“ bedeutet, dass die Grabenränder mit Stein-mauern eingefasst waren.

Die spätmittelalterliche, ehemals zur Schildmauer führende Zugbrücke ist in ihrer Originalgestalt nicht mehr erhalten. Stattdessen finden sich noch die fragmentarisch erhaltenen steinernen Reste einer Zugbrückenanlage aus der Renaissancezeit. Sie bestand aus einem Schwippbogen und einer Mauerauflage für die hölzerne Brücke. Diese Zugbrücke soll nach den Erinnerungen älterer Leute noch im 19. Jahrhundert in Betrieb gewesen sein. Der ursprünglich rundum angelegte, in den fünfziger Jahren achtlos mit Bauschutt verfüllte Wassergraben konnte nicht wieder hergestellt werden. Um dem Schlossanwesen wenigstens teilweise den Wasserschlosscharakter zu geben, wurden wenigstens zwei gefütterte mit Wasser gefüllte Bassins und am östlichen Grundstückende eine grundsätzlich erweiterungsfähige Wasserfläche mit Naturrändern angelegt. Ein fragmentarisch erhaltener Schwippbogen konnte mangels zur Verfügung stehender Finanzmittel nur notdürftig konserviert werden..

Heute erscheint das Ermreuther Schloss mit dem mächtigen Walmdach und der barock veränderten Fensterachse, abgesehen von der stilistisch abgehobenen Hinzufügung des aus der Renaissance stammenden Treppenturmes, auf den ersten Blick als einheitlich barock gestaltetes Gebäude.
Bis ins späte 19. Jahrhundert war Ermreuth in wechselnder Besitzerfolge stets im Besitz adliger Familien. Danach kam es in bürgerliche Hände. Nach dem ersten Weltkrieg wurde es vom Kyffhäuser-Bund als Vereinsstätte genutzt. Im Dritten Reich diente es der Nationalsozialistischen Partei als Kreisführerschule. Nach dem Krieg unterhielt das Rote Kreuz im westlichen Teil des Schlossgebäudes bis 1976 ein Altersheim, während der östliche Teil privaten Wohnzwecken vorbehalten blieb. Nach einem kurzzeitlichen weiteren Besitzerwechsel ging das Schlossanwesen 1977 durch Kauf in den Privatbesitz der Franziska Birkmann, der späteren Ehefrau von Karl Heinz Hoffmann über. In der Folgezeit diente es neben Wohnzwecken auch der WSG Organisation als Hauptquartier.

Das Ermreuther Schloss war zum Zeitpunkt der Übernahme durch Franziska Hoffmann in einem erbarmungswürdigen Zustand. Es galt allgemein als statisch hochgradig instabil, daher nicht sanierungsfähig und abbruchreif. Für die statische Instabilität waren zahlreiche ältere Bausünden verantwortlich. Die bei Um- und Erweiterungsbauten unterschiedliche Gründung hatte besonders nach Beseitigung des Wassergrabens an mehreren Stellen Absenkungen verursacht. Auch war die Fundamentierung der Auflastung durch ein zweites im 18. Jahrhundert aufgesetztes Stockwerk nicht gewachsen.
Hinzu kam die sträfliche Bausünde der barocken Baumeister, denen die Veränderung der Fensterachse und Fensteröffnungsproportionen ein Anliegen war. In der ursprünglichen Fassung verfügte der Westbau über große aber niedrige Segmentbogenfenster, in der Art wie man sie noch auf der Burg Thann bei Nürnberg findet. Diese Fenster hat man in der Renaissance, wohl zum gleichen Zeitpunkt als der polygonale Treppenturm entstand, zur Hälfte vermauert und durch hochrechteckige Fenster mit profilierter Sandsteinlaibung ersetzt. Die ursprüngliche Fenstergestaltung des Ostbaues kann nicht mehr rekonstruiert werden. Im 17. Jahrhundert wurden die Fensterachsen auf allen Fassadenstrecken geändert und durch einheitliche schlichte, nur mit einer gezahnten Struktur behauene Laibungen aus naturgelbem Sandstein harmonisiert. Dabei hat man die zuvor einheitlich dicken Mauern der Fassaden auf der Innenseite, um näher an das Fenster herantreten zu können, unterhalb der Fenster gefährlich geschwächt und Bruchschäden an den Stürzen vorprogrammiert. Seit diesen letzten, im 18.Jahrhundert vorgenommenen Veränderungen erscheint das Ermreuther Schloss bis in unsere Tage als eine Mariage aus Renaissance und Barock.
In den Jahren von 1977 bis zum Ende des Jahres 1979 hat sich die WSG-Organisation durch ihren anhaltenden freiwilligen Arbeitseinsatz verdient gemacht. Sie hat das Ermreuther Schloss ohne Zweifel vor dem drohenden Verfall gerettet. Die Fassaden des Gebäudes waren von zahlreichen, vom Boden bis zum Dach durchgehenden Mauerrissen durchzogen. Allein an der Nordwestecke klafften nicht weniger als sieben, tief in den Fundamentbereich hineinreichende Risse im Mauerwerk. Das Dach war undicht und stellenweise tief eingesunken. Sämtliche Fensterstürze waren gebrochen und in deutlich schräge Positionen abgesunken. Im Innenbereich war das Schloss nicht mehr als eine Ruine.

Von dem ursprünglich das ganze Schloss umgebenden völlig verfüllten Wassergraben, war kaum noch seine ehemalige Lage erkennbar. Als das Schloss 1977 zum Verkauf stand, hatte sich niemand gefunden, der den Mut aufbrachte an eine Sanierung zu denken. Das Anwesen wurde als Abbruchobjekt gehandelt. Die vom politischen Establishment im Verbund mit den Medien zu Unrecht verfemte Wehrsportgruppe hatte den Mut, die Instandsetzung anzugreifen. Ihr Idealismus hat in Ermreuth eine beachtliche Kulturleistung erbracht und sie ist dafür von der einheimischen Bevölkerung respektiert und geschätzt worden. Ob es nun opportun erscheint oder nicht, gleichgültig wer Ermreuth jetzt und in Zukunft besitzt, es bleibt für so manche eine Kultstätte der WSG.
Dabei kann eine traurige, den staatlichen Instanzen nicht zur Ehre gereichende Tatsache nicht unerwähnt bleiben. Bayerische Polizeikräfte haben im Zusammenhang mit politisch motivierten, gewaltig überzogenen Durchsuchungsaktionen weite bereits instandgesetzte Bereiche im Inneren des Schlosses rücksichtslos zerstört. Im Übrigen ohne fündig zu werden. Eine unter das Wappenepitaph über dem Eingangsportal eingemeißelte Inschrift gibt nachfolgenden Generationen Kunde vom polizeilichen Vandalismus. Nach dem 30. Januar 1980 wurden die obrigkeitlich veranlassten Schäden von meiner Ehefrau und meiner Wenigkeit in mühsamer langwieriger Arbeit beseitigt und die Sanierungsmaßnahmen außen und innen dem jeweilig vorhandenen Budget entsprechend weiterbetrieben. Die Mittel und die verbliebene Zeit reichten nicht zur Instandsetzung der Nord- und Ostfassade sowie des zweiten Obergeschosses im Inneren. Mit Ausnahme der bescheidenen Summe von 80 000 DM (1978) zur Verwendung für Notsicherungsarbeiten sind im Laufe der vielen Jahre Sanierungsarbeit keine staatlichen Zuschüsse in Anspruch genommen worden. Vielleicht werden sich nach uns idealistische Kulturmenschen finden, die das Werk vollenden.


Das Schloss Ermreuth ist in Privatbesitz und kann nicht öffentlich besichtigt werden.

Es befindet sich dort auch die Verwaltungsstelle der gemeinnützigen Fiduziarischen Kulturstiftung des in Westsachsen gelegenen Ritterguts Sahlis, sowie ein auf Denkmalschutz spezialisiertes Baubetreuungsbüro. Für beide Bereiche bin ich (Karl Heinz Hoffmann) zuständig.

Besuche bitte nur nach Vereinbarung. Anfragen per Mail, zu allen Sachgebieten, die mein Wissensstand abdeckt, antworte ich gerne.

Ein unverbindliches beratendes Erstgespräch in Denkmalschutzfragen ist kostenlos.

Karl Heinz Hoffmann

Ermreuth 14.02.2011


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