Hoffmann


Direkt zum Seiteninhalt

Rokokopark Sahlis

Der Rokokopark in Kohren-Sahlis
Eine Gesamtbetrachtung

Prolog

Der zum ehemaligen Rittergut Sahlis gehörende Park gilt trotz vergleichsweise eher bescheidener Ausmaße als besonders reizvolles Exemplar der nicht eben zahlreich auf uns überkommenen Beispiele der Gartenarchitektur des Rokoko.
Mit den gewaltigen Gartenanlagen der Fürstenhöfe ist er weder hinsichtlich der Größe, noch der Ausstattung vergleichbar.
Ein solcher Vergleich wäre überdies nicht fair, denn was wir in Sahlis finden, ist keine fürstlich feudale hortologische Inszenierung. Der Park ist, für die damalige Zeit bemerkenswert, das Schöpfung eines, im wahrsten Sinne des Wortes betuchten, nicht adeligen Kaufmannes mit beachtlichen kulturellen Ambitionen.
Georg Leberecht Crusius, ein aus Chemnitz stammender Textilkaufmann, erwarb 1754 das Rittergut Sahlis, ließ das Herrenhaus im Zeitgeschmack des Rokoko überformen und den Park in der derzeitigen architektonisch erkennbaren Form anlegen. Sicher nicht auf Ödland, sondern auf der Fläche eines älteren Gartens, dessen noch teilweise vorhandenen Anlagen sich dem neuen Konzept unterzuordnen hatten. Alles in allem präsentiert sich der Park heute als eine durchgehende Gestaltungsidee des Rokoko, die bekanntermaßen grundsätzlich die Gestaltungsprinzipien der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, die wiederum aus älteren Vorgaben schöpften, in sich vereinigte. Der in geometrische Formen, Teilflächen und Ebenen wechselnde Teil der Anlage beeindruckt nicht zuletzt auch mit seinem noch erhaltenen Restbestand an mächtigen Kastanien, Buchen und Linden, den verschlungenen, voneinander getrennten und doch immer wieder sich findenden, Hecken gesäumten Spazierwegen, seinen geradlinigen, auf Perspektive bedachten Lindenalleen, dem eigenwillig geformten Wasserbecken und interessanten lebensgroßen Steinfiguren.
Ihn als gepflegtes Anschauungsbeispiel für die Gartenkunst des 18. Jahrhunderts den nach uns Kommenden zu erhalten, gelten die Anstrengungen der Kulturstiftung.



Die Entwicklung der Gartenkunst im 16. und 17. Jahrhundert.


Die Gartengestaltung des frühen Barock bewegt sich parallel zu Schloss und Hausarchitektur, in deren räumlichem und sachlichem Zusammenhang sie stets zu würdigen ist.
Die grundlegenden Kriterien der architektonischen Gestaltung der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden auch in der zweiten, im Wesentlichen beibehalten. Im Rokoko entstehen jedoch für Änderungen, die sich unter Vernachlässigung des erstarrten Formenkodex mehr auf das Ansprechen der Emotionen erstrecken.
Sie drücken sich am Gebäude vornehmlich in Details und vor allen in dem, allerdings wieder kodifizierten Rocaillezierrat aus. Im Inneren setzt bereits im späten Barock eine Raumbewegung und Lockerung der Gliederung ein, und genau dies gilt auch für die Gartenkunst. Das Rokoko als Endstadium des Barock bringt nicht abrupt einen völlig eigenständigen Stil, wie wir es später beim Übergang vom Rokoko zum Empire oder vom Historismus zum Jugendstil erleben, es bringt nur eine verfeinerte ja verspieltere Fortentwicklung des Barockstils und bezieht auch die bereits zuvor vom Barock verarbeiteten Vorbilder mit ein.
Die Entwicklung der Gartenkunst im 18. Jahrhundert wäre ohne die Betrachtung der Gartenformen der vorangegangenen Epochen nicht erklärbar. Dabei war das wirklich große Jahrhundert der Gartenkunst das Sechzehnte. In Raffaels Villa Madama manifestiert sich als bestes Beispiel diese kurze klassische Epoche. Der Verlauf des 16. Jahrhunderts bringt den fertigen Ausdruck des klassischen Renaissance-Gartentyps. Wien und München haben Vorreiterstellung, noch vor Beginn des dreißigjährigen Krieges. Aber selbst in der kulturschwachen Zeit, während dieser Krieg tobte, entstanden bedeutende gärtnerische Kunstwerke, zum Beispiel in Heidelberg, in Dresden des Kurfürsten von Sachsen und durch Wallenstein in Böhmen, um nur einige Beispiele zu nennen. Nach dem Friedensschluss folgt Norddeutschland, allen voran Brandenburg, dem weiteren Länder nacheifern. Nach und nach beginnt im ganzen Land eine leidenschaftliche Hinwendung zur höfischen Gartenkunst, denn immer noch war die Parkgestaltung eine vornehmliche Angelegenheit der fürstlichen Höfe. Die neue Leidenschaft für edle exotische Baum- und Blumenzucht wurde durch zahlreiche einwandernde holländische Gärtner befruchtet und gesteigert. Im Renaissance-Garten unterlag die florale Ausgestaltung einem, auf die Wirkung der steten Wiederholung gerichteten architektonischen Reglement, einer streng vorgegebenen raumgestalterischen Gesetzmäßigkeit, die in der Barockzeit nicht mehr in dieser Starre galt, und mit dem vermehrten Einsatz von Variationen langsam verlassen wurde. Das Wesen des Renaissancegartens beruht auf strenger Gliederung in eine Vielzahl gleich gestalteter, gleichwertiger, floral gestalteter Abschnitte, die man durch Steinbalustraden, Statuenreihen und glatt geschorene Hecken gegeneinander abgegrenzte. Dieses vornehmlich von Holland bestimmte Prinzip war aus der hügellosen Topographie der Niederlande erwachsen. Die Regel war die geometrisch aufgeteilte, in gleichwertigen Abschnitten gestaltete Ebene. Die älteren Barockgärten stehen noch im proportionalen Zusammenhang mit der Front einschließlich der Seitenflügel des Schlossgebäudes, dem sie vorgelagert sind. Die Tiefe der Gartenanlage bezieht sich in ihrer Begrenzung ebenfalls auf die Maße des Schlossbaukörpers. Zumeist ergibt sich eine längst rechteckige Form, die auf den Seiten durch Mauern oder Alleen scharf von dem sie umgebenden Terrain abgegrenzt wurden. Häufig findet man als rückwärtige Begrenzung und proportional minimiertes Gegenstück zum Schloss eine Orangerie oder Gloriette. Die Gartengestaltung als solche erscheint in strenger geometrische Anordnung, in fortwährender Wiederholung gleicher Beete und Heckenformen, architektonisch gegliedert. Die Auflockerung durch Nebenanlagen und Alleen zu weiter entfernt liegenden Geländepunkten setzten sich nicht abrupt, sondern langsam durch. Die Gartenkunst entwickelte sich nicht aus der heimischen Natur, vielmehr wird dem natürlichen eine fremde, idealisierende Wirkung aufgezwungen. Flache, weiträumige Ebenen werden bevorzugt, deshalb konnten die niederländischen Gärtner so erfolgreich sein. Mit der Wende zum 18. Jahrhundert wird der französische Stil anerkanntes Vorbild für die höfischen Gartenlandschaften im deutschsprachigen Raum. Französische Künstler und Gartenarchitekten und ihre Schüler verbreiten diese neue Stilrichtungen in beachtlicher Schnelligkeit.
Imposante Beispiele sind die Schlossgärten von Charlottenburg, Herrenhausen und der Dresdner Garten von August dem Starken, die Parkanlage Max Emmanuel in Schleißheim und Nymphenburg, die Parkanlage von Pommersfelden bei Bamberg und Schönbrunn bei Wien. Zumeist handelt es sich um Vergrößerungen älterer, ehemals nur quer zum Schloss gelegenen Gärten zu neuen, nun von dort weg strebenden Anlagen. Das gesamte Gestaltungsrepertoire vereinigt sich auf einer breiten, majestätischen Mittelachse. Rasenflächen, Blumenbeete, Wasserläufe, Wasserläufe, Bassins, Treppen und Alleen sind diesem Gestaltungskodex unterworfen. Die vom Schloss-
gebäude ausgehende Gliederung einer Vielzahl gleicher geometrischer Abteilungen links und rechts der Mittelachse schaffte die gewünschte majestätische Wirkung eines beherrschenden Mittelraumes. Stilisierte Natur erreicht mit Lenôtre am Hof König Ludwigs XIV. den barocken Höhepunkt.
Er war es, der anstelle der bloßen Aneinanderreihung gleichwertiger Abteilungen die große Mittelachse setzt, der sich alles Übrige symmetrisch anzuschließen hat, um den majestätischen Hauptdurchblick zu schaffen. In Versailles, dem auf einer Wüstenei entstandenen Gartenwunder, wurde diese neue Idee überragend verwirklicht. Unterstrichen wird die Wirkung durch den Einsatz von Bäumen mit interessanten plastischen Laubformen. Bevorzugt werden Kastanien, Nussbäume und Maulbeerbäume. Fremdartige Blumen und Sträucher werden tonangebend. Neben holländischen Tulpen setzt man nun Hyazinthen, Levkojen und Jasmin. Sträucher aus Italien stehen neben der heimischen Hainbuchenhecke. Exotische Zitrus- und Feigenbäume in Kübeln aufgestellt, vervollständigen das Bild. Mitbestimmend für die Entwicklung der deutschen Barockgärten war aber trotz der französischen Dominanz auch unverkennbar der Einfluss der italienischen Gartenbaukunst mit Vorliebe zum beweglichen Bodenrelief und gedrängten Kompositionen. Die mannigfaltige Verwendung von Terrassen, Treppen, Balustraden, Felsgrotten, künstlichen Wasserkaskaden, Fontänen und Figuren fanden auf deutschsprachigem Boden ihre Befürworter. Als beredte Beispiele sind zu nennen: Schloss Mirabell in Salzburg, begonnen 1680, der Schwarzenberg-Garten in Wien und der berühmte Zwingergarten in Dresden.

Die Gartenkunst im 18. Jahrhundert.
Das gestalterische Empfinden des Rokoko ist längst nicht mehr gebunden an die Enge des durch den Bezug zum Schlossbau vorgegebenen Raums. Gleichzeitig wird das starre Prinzip der Beet-Wiederholung aufgegeben. Man behält wichtige Grundideen des Barock bei und setzt sie variiert fort. Neben der bewährten Hauptachse entstehen neue Gartenpartien mit verschiedenen Raumgestaltungen: Integrierte Rondelle, Berceaus und geistreiche Verknüpfungen der Wege; eine Verfeinerung und Abkehr von allzu Majestätischem. Nach wie vor von der Mittelachse ausgehend, wird nun ein immer noch symmetrisch angelegtes, labyrinthartiges Wegesystem bevorzugt. Das im 17. Jahrhundert in den Hügellandschaft um Rom entstandene Prinzip der topographischen Möglichkeiten, das Terrain zur Ausbildung von Parterres und ausgedehnten Treppenanlagen zu nutzen, findet in Rokokoparks bevorzugt Verwendung. Die Gärten von Dresden und Leipzig waren dafür berühmt. Eine Gemeinsamkeit der holländischen und der italienischen Gartenanlagen, losgelöst vom topographischen Aspekt, ist auch bestimmend für den Rokokogarten auf deutschem Boden, nämlich die totale Unterordnung der ideal zurechtgestutzten Pflanzen, unter die sie umgebende Architektur. Heckensträucher werden mit der Schwere in grüne Wände, Kugeln, Bögen
oder Pyramiden verwandelt, selbst die Kronen der Laubbäume werden vom Gärtner in eine andere als die natürliche Form gezwungen.
Das Ideal ist der künstlich geformte, dem natürlichen Wuchs zuwider laufende, geometrische Körper als Gestaltungselement des Gartens. Neben der Raum bildenden, durchgehenden Rolle der floralen Gestaltung werden Steinobjekte in berechnender Weise gestalterisch eingesetzt. Vor der grünen Kulisse der Hecke stehen sie im unbeweglichen Freilufttheater. Beliebig versetzbare Kübelbäume schaffen Spielraum für Abwechslung und gelegentliche Benutzung der Freiräume für Festlichkeiten.
Kübelbäume machen das Vorhandensein von Gewächshäusern und Orangerien unerlässlich.
In keinem höfischen Park darf deshalb eine Orangerie fehlen - nicht allein zur Aufbewahrung der exotischen Kübelpflanzen im Winter, sondern auch für festliche Banketts in den Saalräumen. Adel und reiche Kaufleute entdecken den Schlossgarten und beginnen um die Mitte des 18. Jahrhunderts mit den Fürstenhöfen zu wetteifern. Die Zeit des Rokoko bringt nicht zuletzt auch durch die Erweiterung des Parkgründer-Potentiales eine Beförderung neuer Ideen und Umformungen der bis dahin nahezu orthodoxen Grundsätze der Gartenbaukunst.



Der Rokokogarten in Sahlis

Der dem Herrenhaus des Rittergutes Sahlis nach Süden vorgelagerte 12.500 m² große Park misst in der Länge 250 m und in der Breite circa 50 m. Seine Grundform wäre längsrechteckig, wenn nicht der letzte, südlich gelegene Abschnitt eine halbrunde, sich am Straßenverlauf orientierende Grenze hätte.
Nach Westen wird der Park durch eine etwa mannshohe Trockenmauer aus Findlingen begrenzt. Oberhalb der Mauerkante setzt sich das Gelände, nach Süden sanft ansteigend, in eine, quer zur Steigung künstlich angelegte Terrassenlandschaft fort. Die quer zum natürlichen Boden verlaufenden Terrassenwellen sind unter Verwendung des bei der Anlage des Rokokoparks angefallenen Erdaushubs angelegt worden. So entstand landwirtschaftliches Grünland zur Nutzung als Obstplantage. Die dort geernteten Sahliser Kirschen erlangten in der Region Berühmtheit.
Die Ostgrenze bildet auf dreiviertel der Strecke eine steil nach unten abfallende, aus grob behauenen Natursteinen gebildete Mauer. Die Fortsetzung davon, der südliche Teil des Gartens verläuft ungefähr auf gleicher Höhe neben der Straße, die wohl schon in historischer Zeit gemäß dem natürlichen Geländegefälle angelegt war. Die auf einer nord-südlich verlaufenden Mittelachse in sechs Abschnitte von unterschiedlicher Größe gegliederte Parkanlage verfügt über mehrere hintereinander angelegte Parterres.
Vom Herrenhaus ausgehend, erstreckt sich zunächst eine, mit dem Erdgeschossniveau des Herrenhauses bündige Freifläche mit einem zentral angeordneten Rondell. Diese Fläche entspricht nicht mehr der alten ursprünglichen Gestaltung. Zeitgenössische Abbildungen zeigen anstelle des Rondells zwei rechteckige, nebeneinander liegende Gevierte mit niedrig geschorener Heckenumrahmung, von der aus Heckenstreifen diagonal von den Ecken ausgehend, auf ein in der Geviertmitte angelegtes Oval zu laufen. Diese beiden Zierbeete entsprechen noch ganz dem Stil der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Im Beetfont waren, den Regeln der Zeit entsprechend, Flächen aus kurz geschorenem Rasen angelegt. Diese heute nicht mehr vorhandenen rechteckigen Beete stießen mit dem südlichen Rand an das zweite Parterre. Zwei jeweils links und rechts neben der Beetanlage und der zwischen beiden gebildete Mittelweg trafen auf jeweils eine Steintreppe mit vier Steigungen.

Das Rondell des heutigen Bestandes stammt aus der Zeit nach 1780. Anstelle der früheren einfachen barocken Treppenanlage befindet sich jetzt im Mittelabschnitt eine von zwei steinernen Vasen flankierte Treppe, die aufgrund ihrer stilistischen Gestaltung nur schwerlich vor 1770 eingeordnet werden kann.

Die auf vierkantigen Sockeln ruhenden Vasen zeigen eindeutig die untrüglichen Merkmale des Louis Seize Stils, und dieser begann, obwohl in Frankreich schon etwas länger en vogue, erst nach 1770 in Deutschland Fuß zu fassen. Die zwischen den Vasen angeordnete Treppenanlage hat den lebhaften Wellenschwung im Stil der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, ihr musste die ältere einfachere, geradlinige Form weichen.

Die an die vasenflankierte Treppe anschließende Ebene zeigt rückwärtig eine halbkreisförmig angelegte, geschorene Hainbuchen-Heckenwand, an deren südlichsten Punkt mittig ein Durchlass für den auf der Mittelachse angeordneten Hauptweg offen bleibt. In der Mitte dieser so gebildeten Halbkreisfläche ist ein Wasserbassin in reizvoll geschweifter und profilierter Sandsteineinfassung angelegt. Als Beckenboden dienten ehemals Sandsteinplatten. Am westlichen Beckenrand außen findet sich in einem abgemauerten Schacht ein Pumpaggregat zum Betrieb einer Fontäne. Diese Anlage ist neuzeitlich, über die ältere Technik gibt es keine Aufzeichnungen. Der vordere Teil dieses bassinbestückten, halbkreisförmigen Parterres ist als durchgehende Wegfläche gestaltet, die nach beiden Seiten zu jeweils einer, parallel zur Mittelachse, aber am Rand des Parkbereiches beginnenden, nach Süden auf leicht ansteigenden Gelände verlaufenden Allee mit symmetrisch angelegten, für Formschnitt vorgesehenen, noch recht jungen Lindenbestand. Beide Alleewege enden nirgendwo, stattdessen sind sie halbkreisförmig verbunden, so dass sie die Form eines Hufeisens mit verlängerten Schenkeln ergeben. Allerdings ist der Bogenteil dieser Hufeisenform nur ein Hecken begrenzter Weg ohne Baumbestand an den Rändern.
Auf dem zentralen Weg weiter nach Süden gehend, erschließt sich dem Betrachter eine großzügige, von geschorenen Hecken eingefasste Parterrefläche in der Form eines seitlich eingedrückten Kreises, dessen Inneres von einer eher gegenläufig geformten, von Wegbändern durchkreuzte Beetfläche, die auf ein zentrales kleines Rondell zu laufen, bestimmt wird. Dieses Parterre liegt etwas tiefer und wird über sechs mittig angelegte Steinstufen erreicht und am Ende über einen gleichgestalteten, zum nächsten Parterre führenden Treppenlauf wieder verlassen. Ob der Besucher diesen Weg durch die Mittelachse des Gartens nimmt, oder ob er es vorzieht, zunächst eine der beiden Alleen als Spazierweg zu wählen, er wird an ihrem Anfang zwei lebensgroße Statuen auf Steinsockeln, die zur Linken und zur Rechten vor der Heckenwand stehen, nicht übersehen - links die Figur der Nymphe und rechts des Zeus.
Wählt er den Alleeweg rechterhand, wird er bald an einer kleinen, in die Begrenzungsmauer eingearbeiteten, nicht mehr vollkommen erhaltenen Conche vorbeikommen. Geht er nach links so fällt sein Blick auf das Orangeriegebäude, das zwar in seiner heutigen Form erst im späten 19. Jahrhundert dazukam, nichtsdestoweniger aber den Park mit seinen neobarocken Attributen durchaus bereichert.
Eine besondere Attraktion erwartet den Besucher, wenn er die nächste Ebene der Gartenanlage erreicht. Eine halbkreisförmige, aus Kornellkirschensträuchern gebildete Heckenwand mit rückseitig parallel verlaufendem Spazierweg. Darinnen befand sich (heute nicht mehr vorhanden) in historischer Zeit eine niedrig ausgebildete florale Volutenbroderie. Eine aus vier Halbkreisen geformte Beeteinfassung aus Bandeisen ergibt die Form des zentral gelegenen Beetes. Vor dem Halbrund der zentralen Kornellkirschen-Heckenwand stehen, allegorisch die vier Jahreszeiten darstellend, lebensgroße aus grauem Elbsandstein gefertigte Putti. Sie blicken zum Zentrum des Platzes, wo sich früher ein wasserspeiender Blumenkorb aus Zinkblech befunden hatte, und heute nur noch der verlassene Sockel übrig geblieben ist. Der typische Rokokocharakter zeigt sich in einem parallel zueinander laufenden, von einander durch Hecken getrennten, aber doch an den Enden miteinander verbundenen Gehwegsystem. Hier war ein berechenbares Labyrinth aus Hainbuchen geschaffen worden, geeignet zum Lustwandeln und zum neckischen Spiel. Wird die Parkbegehung weiter auf dem nun einzigen, beiderseits durch hohe Heckenwände begrenzten Weg der Mittelachse fortgesetzt, ohne dass man zwei rechteckige, hinter dem hohen Hainbuchengrün verborgene, parallel zum Weg angeordnete Felder bemerken kann, so öffnet sich am Ende der Weg zu einer einfachen grasbewachsenen Lichtung, auf der nichts mehr nach gärtnerisch geometrischer Planung angelegt ist. Man erblickt eine Freifläche von asymmetrischer Form, nur an der Nordseite rechtwinklig, westlich von einem nur noch rudimentär erhaltenen, ehemals künstlich angelegten Terrassenhang begrenzt und auch an der Südostseite in sanftem Bogen verlaufen. Im Randbereich stehen noch sechs etwa hundertjährige Kastanien. Der traurige Rest einer nun leider nicht mehr vorhanden größeren Baumgruppe. Im Zentrum dieses eher im englischen Stil erscheinenden Areales war früher ein Teich in der Form eines Rechtecks mit abgerundeten Ecken angelegt. Über die tatsächlichen Ausmaße und die Form des Teiches zur Zeit seiner Entstehung kann man nur Vermutungen anstellen, weil die historischen Belege zwei unterschiedliche Formen ausweisen. Genaue Erkenntnisse darüber könnten nur Suchgrabungen ergeben. Sie würden auch klären ob der Teich in historischer Zeit gefüttert, das heißt mit einer Mauer eingefasst war oder ob er natürliche Ufer hatte. Jedenfalls zeigen ältere Abbildungen das Vorhandensein einer Fontäne, einen umlaufenden Gehweg und Randbegrünung. Zeitzeugen, die 1950 den Teich noch mit Wasser gefüllt gesehen hatten, können nur einen Naturteich mit natürlich bewachsenen Uferrändern bezeugen. An dieser zuletzt ermittelten Gestalt orientiert sich auch ein seriös, nur auf der Grundlage verifizierter Quellen und eindeutiger Befunde erstellter Rekonstruktionsplan.


Zur Linken bildet die Peniger Straße die Grenze, zur Rechten, nach Westen hin steigt das Gelände mit den bereits erwähnten Terrassenwellen zu einem beachtlichen Hang an, der früher über einfache Steintreppen begehbar gewesen ist. In historischer Zeit dürften dort Kübel mit exotischen Bäumchen gestanden haben. Laut Literatur
„ … führt dort seitlich je eine Freitreppe in drei Absätzen, entsprechend dem in drei Terrassen aufgebauten Gelände nach dem Gemüsegarten. Die Mitteltreppe zieren stark verstümmelte Putten, die seitlichen Stufenposamente mit kugelförmigen Absätzen. Zwischen den Freitreppe liegen geböschte Rasenterrassen, die früher wohl zur Aufstellung von Zierbäumchen usw. benutzt wurden.“ Von alledem ist nichts erhalten geblieben.
Noch ein Wort zu den beiden, bisher nur kurz gestreiften, heckenumstandenen rechteckigen Flächen zu beiden Seiten des zentralen Gehweges, die man erst nach dem betreten des letzten Abschnittes rückwärts blickend entdecken kann. Die westliche, größere von beiden, soll ein von Crusius angelegter Tennisplatz gewesen sein, leider gibt es dazu keine Quellennachweise, sodass man dem Tennisplatz nur den Rang einer Vermutung zuerkennen kann. Hingegen kann durch historische Pläne die Nutzung beider Gevierte zum Obstanbau als verbürgt gelten. Die östliche etwas kleinere Geviertfläche zeigt ebenfalls auf dem Plan Obstbaumbestand, (heute ist davon nur noch ein einziger älterer Apfelbaum übrig geblieben.) Diese längs- rechteckigen Hecken umsäumten Flächen vereinten mit ihrer Blütenpracht im Frühling den Schauwert mit dem Nutzwert des landwirtschaftlichen Ernteertrags. Und schließlich ist da noch der hintere Parkausgang zur Peniger Straße. Nicht viel, was es da zu beschreiben gibt, denn von einer historischen Toranlage, wenn sie jemals vorhanden war, ist nichts geblieben. Es gibt dort nur ein neues Gebilde aus den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Damit sind wir am Ende des Rundganges und am Schluss unserer Betrachtungen zu dem, was der Park einmal war und was er heute noch an restlicher Schönheit bietet, angelangt.

©Karl Heinz Hoffmann

September 2010








Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü